Muskelaufbau

Nahezu 40% des gesamten Körpergewichtes eines Pferdes entfallen auf die Muskulatur. Diese Zahl veranschaulicht recht deutlich, welchen Stellenwert die Muskulatur für das Fluchttier Pferd hat.

Ausdauerpower und Kraftpaket – die Muskulatur des Pferdes

Entwicklungsgeschichtlich hat nicht zuletzt dieser Umstand den Vorfahren unserer heutigen Reitpferde das Überleben gesichert, da ihnen durch ihren ausgeprägten Bewegungsapparat eine Flucht vor Fressfeinden auch über längere Distanzen gelang.

 

Muskeln sind nicht gleich Muckis

Anatomisch und physiologisch lassen sich drei verschiedene Muskelarten unterscheiden:

  • Herzmuskulatur: Der Herzmuskel kann nicht willentlich beeinflusst oder gesteuert werden. Die Kontraktion erfolgt durch einen körpereigenen Herzschrittmacher, den sogenannten Sinusknoten.
  • Glatte Muskulatur: Die auch als Eingeweidemuskulatur bezeichnete Muskulatur kommt ihrem Namen nach in Organen vor. Beispielsweise kleidet sie die Wände des gesamten Magen-Darm-Trakts aus und findet sich ebenfalls in den Wänden der Blutgefäße. Auch diese Muskulatur kann nicht durch den Willen kontrolliert werden sondern unterliegt in der Regulierung dem vegetativen Nervensystem (Parasympathikus/Sympathikus).
  • Skelettmuskulatur: Diese Muskelart bildet gemeinsam mit dem knöchernen Skelett, Sehnen, Bändern und Faszien den Bewegungsapparat des Pferdes. Die Bewegung der Skelettmuskulatur ist dem Willen unterworfen und kann individuell beeinflusst werden.

Welcher Typ bei welchem Pferd?

Jeder Muskel eines Pferdes besteht aus einer Mixtur dreier verschiedener Muskeltypen. Das Geheimnis der Muskeltypen steckt in den Muskelfasern. Man unterscheidet beim Pferd wie beim Mensch verschiedene Muskelfasertypen. Welche dieser drei Typen in welcher Intensität beim Pferd ausgeprägt ist, wird neben Genetik und Geschlecht auch durch Training sowie Fütterung beeinflusst.

  • Typ I - Slow twitch: Die Fasern vom „Ausdauer-Typ“ kontrahieren langsam, können dafür aber bei kontinuierlicher Belastung und ausreichender Sauerstoffzufuhr über einen langen Zeitraum gleichbleibende Leistung erbringen. Pferde, deren Muskeln überwiegend aus Typ-I-Fasern bestehen, erscheinen oft nicht übermäßig bemuskelt, besitzen dagegen aber eine enorme Ausdauer (z.B. Distanzpferde).
  • Typ IIa – Fast twitch: Die Fasern vom „Kraft und Ausdauer-Typ“ sind aufgrund des verhältnismäßig hohen Hämoglibingehalts (roter Muskelfarbstoff) in der Lage, viel Sauerstoff aufzunehmen. Dadurch ermüden diese Fasern zwar schneller als Typ-I-Fasern, jedoch langsamer als Typ-IIb-Fasern. Sie können typischerweise ungefähr 30 Minuten lang volle Leistung bringen und sind daher sehr dominant bei Pferden ausgebildet, die neben dem Ausdauertraining auch Kraft aufbringen müssen (z.B. Vielseitigkeitspferde).
  • Typ - IIb: Muskelfasern dieses Typs kontrahieren am am schnellsten und kräftigsten. Die Hauptquellen der Energieerzeugung sind ATP und die anaerobe Milchsäureglykolyse. Diese Fasern enthalten aufgrund ihres Stoffwechsels sehr wenig Myoglobin (daher weiße Farbe) und nur sehr wenige Mitochondrien. Derartige Fasern können ihre Aktivität nur für etwa 60 Sekunden aufrechterhalten und sind besonders intensiv ausgeprägt bei Pferden, die schnell viel Kraft entwickeln müssen, diese aber nur kurzfristig benötigen (z.B. Rennpferde).

Muskelkraft, Kondition und Ausdauer setzen natürlich nicht nur Training und eine angepasste Fütterung voraus. Auch das Herz-Kreislauf-System, der Atmungsapparat sowie der Stoffwechsel müssen in Topform sein, um die maximale Leistung der Muskulatur zu gewährleisten. So muss der für die Energiegewinnung in der Muskulatur benötigte Sauerstoff schnellstmöglich und in ausreichender Menge aus den Alveolen der Lunge über das Blut in die Muskulatur befördert werden. Weiterhin benötigt die Muskulatur auch wichtige Nährstoffe für Wachstum, Regeneration und Zellmembranschutz, die mit der Nahrung zugeführt, ebenfalls möglichst effizient und kontinuierlich mit dem Blutstrom in die Muskelzellen gelangen müssen. Kommt es zu Einbußen in der Sauerstoff- oder Nährstoffversorgung, kann der Muskel schneller ermüden, übersäuern und benötigt mitunter längere Regenerationszeiten.

Unterstützung beim Muskelaufbau – das Management zählt

Die wichtigste Maßnahme ist und bleibt Training, Training, Training, Training! Ohne Training keine gesunde Muskelentwicklung. Natürlich ist beim Training neben Alter, Ernährungs- und Gesundheitszustand auch das Leistungsniveau des Pferdes zu berücksichtigen und das Training an diesen Faktoren individuell auszurichten. Um die Muskeln in den verschiedenen Trainingsphasen (Muskelaufbau, Konditions-/Ausdauertraining, Schutz vor Übersäuerung, Regeneration) zu unterstützen, kann das Zufüttern verschiedener Ergänzungsfuttermittel zusätzlich einen wertvollen Beitrag zur optimalen Entwicklung und Nährstoffversorgung leisten.

Zunächst benötigt die Muskelzelle Energie, um Bewegungsarbeit leisten zu können. Diese wird im Körper aus Glucose unter der Verwendung von Sauerstoff in Form von Adenosintriphosphat (ATP) gebildet. Die hierfür benötigte stammt aus der Aufspaltung langkettiger Kohlenhydrate (z.B. Cellulose) aus der Nahrung im Magen-Darm-Trakt. Die Aufspaltung dieser langen Glucoseketten ist langwierig und führt oft dazu, dass nicht alle in der Cellulose enthaltenen Zuckermoleküle über die Dünndarmschleimhaut aufgenommen und dem Stoffwechsel der Muskelzelle zur Verfügung gestellt werden können. Die Zufuhr sogenannter leichtverdaulicher Kohlenhydrate (kurzkettige Kohlenhydrate) in Form von leichtverdaulicher, thermisch aufgeschlossener Stärke, die sich durch Verdauungsenzyme leichter in ihre Molekülbestandteile zerlegen lässt, ist für die unterstützende Muskelarbeit eine deutlich effizientere Energiequelle. Zusätzlich muss für den Muskelaufbau eine Versorgung mit hochwertigem Protein gewährleistet sein, um die kontraktionsfähigen Filamente (Muskelprotein) der Muskelfasern aufzubauen und zu erneuern. Aber nicht jede Futtersubstanz hat eine optimale Verfügbarkeit der enthaltenen Proteinquellen. Futtermittel mit einem zu hohen Gesamtproteingehalt (z.B. Junges Gras) bergen das Risiko, dass nicht die Gesamteiweißmenge bereits im Dünndarm enzymatisch aufgeschlossen und resorbiert werden kann. Dies führt zu einer mikrobiellen Fermentation im Dickdarm, die bei zu hoher Intensität eine Verschiebung des ph-Wertes zur Folge haben kann.

Zudem entstehen bei übermäßiger mikrobieller Fermentation kurzkettiger Kohlenhydrate unter anderem Ammoniak und Schwefelwasserstoff, die von der Darmschleimhaut aufgenommen, von der Leber abgebaut und die über die Nieren ausgeschieden werden müssen, was diese Organe langfristig überlasten kann. Entscheidend ist daher nicht die Menge an Eiweiß im Futtermittel, sondern die Qualität. Pferde können Protein in Form von kurzkettigen Peptiden am effizientesten aufnehmen, denn die Quelle für den Aufbau neuer Muskelmasse sind Aminosäuren, die kleinsten molekularen Bestandteile von Proteinen. Es gibt 20 proteinogene Aminosäuren, von denen 10 essentiell sind, was bedeutet, dass sie für die Proteinsynthese mit dem Futter ergänzt werden müssen, da der Organismus nicht in der Lage ist, sie aus körpereigenen Substanzen herzustellen.

Eine tragende Rolle kommt dabei den Aminosäuren Lysin und Leucin zu. Lysin stellt als erstlimitierende Aminosäure den Grundbaustein für Muskelproteine dar. Ist diese Aminosäure nicht in ausreichender Menge vorhanden, kann auch beim übermäßigen Vorhandensein anderer proteinogener Aminosäuren, kein Muskelprotein aufgebaut werden. Leucin regt einerseits die Zellkraftwerke (Mitochondrien) dazu an, den Brennstoff ATP zu produzieren und erhöht darüber hinaus die Insulinempfindlichkeit des Muskelgewebes nach dem Training, was zu einer schnelleren Regeneration durch schnelle Wiederauffüllung der Glykogenreserven führt. Als freie Radikale werden hochreaktive, kurzlebige Molekülfragmente bezeichnet, deren Freisetzung bei der Zellatmung im Zuge der Energiegewinnung aus Glucose passiert. Diese freigesetzten Radikale schädigen wichtige molekulare Bestandteile von Proteinen und Lipiden, so unter anderem die Zellmembran

 Dieser Vorgang wird auch als oxidativer Stress bezeichnet. Neben allen Körperzellen enthalten auch Muskelzellen daher eine Vielzahl von antioxidativen Mechanismen, die den schädlichen Einfluss von freien Radikalen reduzieren. Enzyme, Antioxidantien und Vitamine, die den Muskel vor oxidativen Schäden schützen, spielen dabei eine Schlüsselrolle. Für die Synthese dieser Enzyme benötigt der Organismus unter anderem Selen, das am besten in organisch gebundener Form im Darm resorbiert werden kann. Die zusätzliche Zufuhr von Selen ist entscheidend für die Synthese von Glutathionperoxidase, dem wichtigsten antioxidativ aktiven Enzym im Pferdeorganismus. Weiterhin stellt auch das fettlösliche Vitamin E ein natürliches Antioxidans dar, das die Zellwände vor Schäden durch freie Radikale schützt. Sportpferde benötigen deutlich mehr Vitamin E als Pferde, die in einem durchschnittlichen Maß bewegt werden. Es hat sich erwiesen, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin E und organischem Selen die Leistungsfähigkeit der Muskulatur steigern und deren Regenerationsvermögen verbessern können.

Dr. med. vet. C. Fritz

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