Hufgesundheit

Ohne Huf kein Pferd. Diese alte Weisheit von Fritz Rödder ist so wahr wie zeitlos. Die Konstruktion des Pferdehufes kann wahrlich als Wunderwerk der Evolution angesehen werden.

Der Huf ist neben Sehnen, Bändern, Gelenken und der Muskulatur die elementare Funktionseinheit der Pferdegliedmaße. Er muss nicht nur in der Lage sein, das gesamte Gewicht des Pferdes zu tragen sondern ebenso als Stoßdämpfer fungieren und zudem die von der Hornkapsel umgebenen anatomischen Strukturen (Hufbein, Strahlbein, Kronbein, Hufgelenk, Krongelenk, Hufrollenschleimbeutel, Ansatz der tiefen Beugesehen u.v.m.) vor schädlichen äußeren Einflüssen schützen. Eine gesunde Hornkapsel erreicht pro Monat eine Wachstumsrate von ca. 1 cm. Es dauert in Etwa ein Jahr, bis sich das Horn des gesamten Hornschuhs vom Kronsaum bis zum Tragrand erneuert hat.

Dieser Umstand ist nicht zuletzt der guten Durchblutung der Huflederhaut geschuldet, deren feines Gefäßnetz aus hauchdünnen Blutkapillaren zur Nährstoffversorgung zu einem kontinuierlichen Hornwachstum beiträgt. Die Huflederhaut ist das entscheidende Bindeglied zwischen dem Hufbeinknochen und der hornbildenden Oberhautschicht. Durch eine an einen Klettverschluss erinnernde Verzahnung der Huflederhautlamellen mit jenen der hornbildenden Oberhautschicht ist das Hufbein stabil verankert, sodass es zu keiner Drosselung der Blutzufuhr kommt, wenn der Huf kurzfristige, schwere Gewichtsbelastung aufnehmen muss wie beispielsweise bei der Landung nach einem Sprung.

Maniküre, ein Muss

Für den Erhalt der Formbeständigkeit des Horns sowie einen uneingeschränkten Bewegungsablauf des Pferdes ist die regelmäßige Bearbeitung des Hufhorns durch einen Hufschmied unerlässlich. Hierbei achtet dieser nicht nur darauf, das Hufhorn zu kürzen sondern überprüft neben dessen Beschaffenheit ebenso das Auffußen sowie die Gliedmaßenstellung, um eventuelle Fehlstellungen durch einen optimalen Beschnitt bestmöglichst auszugleichen. Hierbei sollten die Intervalle des Schmiedbesuchs (in der Regel alle 8-10 Wochen) individuell der Hornwachstumsrate sowie ggf. vorhandenen besonderen Befunden angepasst werden.

Hufhorn ist sehr sensibel

Die Ursachen für fragiles, deformiertes, brüchiges oder rissiges Hufhorn sind vielfältig. Neben genetischen Komponenten spielen Witterung, die Haltungsumgebung sowie die Ernährung die Hauptfaktoren für das Schicksal des Hufhorns. Neben mangelnder Qualität des Grundfutters kann eine dauerhaft feuchte oder zu trockene Umgebung ebenso schädlich auf das Hufhorn einwirken, wie der dauerhafte Kontakt mit amoniakhaltigen Exkrementen. Dabei können sich Ungereimtheiten im Hornstoffwechsel auf ganz unterschiedliche Weise äußern wie beispielsweise in Strahlfäule, Hufabszessen, Hornspalten, Hornrissen, brüchigem Horn, Hufkrebs, dünnwandigem Horn (Fühligkeit).

Gerade stark beanspruchte, geschädigte Hufe benötigen daher in besonderem Maß Pflege und die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen, die ein gesundes Hufwachstum fördern. Daneben ist auch eine gute Durchblutung eine essentielle Voraussetzung für gesundes Hufwachstum, da die Nährstoffzufuhr nicht hilfreich ist, wenn diese nicht exakt dort ankommen (können), wo sie benötigt werden.

Dem Horn zuliebe

In der unterstützenden Versorgung geschädigten Hufhorns spielt neben Biotin und Zink ebenso Methionin eine wichtige Rolle für den reibungslosen Haut-, Horn- und Fellstoffwechsel.

Das wasserlösliche Vitamin H (Haut- und Hufschutzvitamin) = Biotin spielt bei der Gesunderhaltung von Haut, Haar und Hufhorn eine zentrale Rolle. Bei Unterversorgung, gestörter mikrobieller Synthese im Darm, ungenügendem Resorptionsvermögen über die Darmschleimhaut oder schlechter Durchblutung der Zielgewebe sind Einflüsse auf Enzymsysteme im Fett-, Kohlenhydrat- und Eiweißstoffwechsel der Haut und deren Anhangsgebilde (Langhaar, Horn) vorprogrammiert. Biotin beschleunigt nicht das Hornwachstum, sondern optimiert die Qualität des nachwachsenden Horns. Die Dauer einer Biotin-Zusatzversorgung, z. B. bei Schäden am Kronrand, richtet sich nach den Wachstumsraten der Hornwand und kann somit 8 bis 12 Monate betragen. Biotin beseitigt ernährungsbedingte Schäden der Haut und des Haares, unterstützt den Haarwechsel und bewirkt bei gut versorgten Pferden ein gesundes, glänzendes Fell.

Zink als essentielles Spurenelement ist elementarer Co-Faktor von über 200 Enzymen und damit an der Abwicklung vieler essentieller Stoffwechselvorgänge beteiligt. Hier ist besonders die Erneuerung von Haut- und Hornzellen von Bedeutung, da Zink die Keratinbildung fördert. Zudem trägt Zink zur Kräftigung der Immunabwehr, der Regeneration von Schleimhautzellen sowie der Förderung eines starken Nervenkostüms bei. Die häufigsten und meist auch am offensichtlichsten in Erscheinung tretenden Veränderungen infolge eines Zinkmangels betreffen Haut, Fell und Hufe, da durch das Fehlen von Zink keine ausreichende Bildung von Keratin, dem Hauptbestandteil dieser Zellen, mehr stattfindet.

Bei der gezielten Supplementierung von Zink spielt dessen Bioverfügbarkeit die entscheidende Rolle. Dies bedeutet einerseits die Aufnahmefähigkeit der Substanz im Dünndarm sowie die Verfügbarkeit in den Zielzellen. Hier haben sich organische Zinkkomplexe, wobei Zink an eine Aminosäure gebunden ist (Zinkchelat), sehr bewährt. Diese können einerseits optimal über die Dünndarmschleimhaut resorbiert werden, da eine Komplexbildung mit anderen Substanzen, die die Resorption mindern, durch die Chelatbindung unmöglich ist, andererseits sorgt die Verbindung für eine ideale Verfügbarkeit des Zinks im Zielgewebe.

Schwefelhaltige Aminosäuren wie Methionin, Cystin und Cystein werden ebenfalls bei der Hornbildung (Keratogenese). Sie beeinflussen die Festigkeit des Hufhorns. Das Pferd kann aus dem Futter nahezu ausschließlich organische Schwefelverbindungen nutzen, obwohl geringe Mengen anorganischen Schwefels absorbiert werden können. Daher müssen Pferde ihren Bedarf über die Zufuhr schwefelhaltiger Aminosäuren wie Methionin decken, um Störungen in der Keratogenese zu vermeiden.

Häufigste Erkrankungen des Hufes

Hufabszess

  • Ursache: Ein Hufabszess (Hufgeschwür) entsteht durch das Vordringen von Bakterien durch die schützende Hornkapsel bis in die Huflederhaut, wobei sie hier einen Entzündungsprozess in Gang setzen. Besonders brüchiges oder rissiges Hufhorn im Bereich von Sohle, Tragrand und weißer Linie ist prädestiniert für das Eindringen von Bakterien in die Hornkapsel. Um die Eindringlinge schnell zu kontrollieren, sammeln sich rasch weiße Blutzellen am Entzündungsherd an, um die Bakterien unschädlich zu machen – es entsteht Eiter. Da die Eiteransammlung sich aufgrund der begrenzten Ausdehnungsmöglichkeit durch die Hufkapsel nirgendwo nach außen ergießen kann, fängt die sich ausdehnende Eiterblase an, Druck auf umgebende Strukturen auszuüben, welchen das Pferd meist durch eine hochgradige Lahmheit quittiert.
  • Diagnose: Die Diagnose eines Hufabszesses stellt der Tierarzt meist aufgrund einer hochgradigen Stützbeinlahmheit in Kombination mit einer Schmerzreaktion bei punktuellem Druck mit der Hufuntersuchungszange.
  • Therapie: Die Therapie besteht in der Bearbeitung des Hufhorns mit Hufmesser oder scharfem Löffel, um dem Eiter einen Weg aus der Hufkapsel zu ermöglichen und somit das Pferd von dem Druckschmerz zu befreien. Meist erfolgt zuvor oder zusätzlich das Anlegen eines Angussverbandes mit Aufguss einer antiseptischen Lösung (Acridin). Ist der Eiter abgeflossen, wird nach sorgfältiger Desinfektion durch das Ausüben von Druck auf das ausgeschnittene Hufhorn dessen Wachstum wieder befördert (z.B. durch das Anbringen eines Propfens aus Bienenwachs). Zusätzlich bietet sich die Zufütterung von Substanzen an, die das Hornwachstum unterstützen (Biotin, Zink, Mangan, schwefelhaltige Aminosäuren). Die Heilungschancen sind bei einem Hufabszess in der Regel sehr gut.
  • Prophylaxe: Die tägliche Hufpflege sowie regelmäßige Bearbeitung der Hufe durch einen Hufschmied sind die Hauptfaktoren für den langfristigen Erhalt gesunder Hufe. In Bedarfsfällen bietet sich die kurweise oder dauerhafte Gabe von Ergänzungsfuttermitteln für die Unterstützung gesunden Hufwachstums an.

Strahlfäule

  • Ursache: Durch die Dauereinwirkung von Feuchtigkeit, Nässe und ätzenden Substanzen (z.B. Amoniak) wird die ohnehin etwas empfindlichere Hornsubstanz des Strahlhorns zunehmend aufgeweicht und damit anfällig für die schädlichen Einflüsse von Fäulnisbakterien. Diese besonders in sauerstoffarmer Umgebung vorkommenden Bakterien zersetzen das Horn, welches sich in diesem Fall schwarz verfärbt, schmierig wird und einen unangenehmen Geruch entwickelt.
  • Diagnose: Durch die Begutachtung können sowohl Tierarzt, als auch Hufschmied oder der Pferdebesitzer selbst besonders im fortgeschrittenen Stadium relativ unkompliziert eine Strahlfäule identifizieren.
  • Therapie: Eine kontinuierliche Hufpflege sowie trockene, saubere Einstreu stellen die Eckpfeiler der Behandlung dar. Weiterhin können desinfizierende und gleichzeitig aushärtende Substanzen wie Jodtinktur, Silber- oder Blauspray in entsprechenden Härtefällen eingesetzt werden.
  • Prophylaxe: Neben der Haltungsoptimierung (trockene, saubere und luftdurchlässige Einstreu) sollte der regelmäßigen Hufbearbeitung besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Durch die kontinuierliche Beurteilung des Hufes können Veränderungen des Hufhorns, die auf eine Problematik hindeuten, bereits frühzeitig erkannt und hier gegengesteuert werden. Hier sollte auch die gezielte Futterergänzung nach Bedarf (ggf. nach Anfertigung eines Blutbildes) beachtet werden. Durch eine rechtzeitige Supplementierung insbesondere von Zink und Biotin kann das Hufhorn widerstandsfähiger werden und sich dadurch besser vor schädlichen Einflüssen schützen.

Hornsäulen und Hornspalten

  • Ursache: Als Hornsäule bezeichnet man eine gestörte Wandhornauswölbung, die sich säulenförmig im Inneren des Hufs bildet und vom Kron- oder Tragrand ausgehen kann. Auslöser einer abnormalen Hornbildung der Hufwand können Kronentritt, Vernagelung, Hufabszesse, Hornspalten oder Hornkluften sein, die eine Entzündung der Huflederhaut nach sich ziehen, was eine gesteigerte Hornbildung in diesem Areal nach sich zieht.
  • Diagnose: Je nach Schweregrad des Auslösers, fallen kleine Hornsäulen aufgrund des Ausbleibens von Beschwerden höchstens als Zufallsbefund auf und bedürfen keiner weiteren Behandlung. Grundsätzliche sind bei einer vorhandenen Hornsäule Änderungen in Form von Ausdehnungen der weißen an der Hufsohle erkennbar. Um die Diagnose zu sichern, sollten mindestens zwei Röntgenaufnahmen des Hufes aus verschiedenen Aufnahmerichtungen gemacht werden. Bei stark ausgeprägten Hornsäulen kann durch den sich ausdehnenden Druckschmerz eine intermittierende Lahmheit ausgemacht werden, bei der das Pferd bevorzugt auf den Trachten fußt um Sohle und Wandhorn zu entlasten.
  • Therapie: Die Behandlung orientiert sich am Schweregrad der Ausprägung einer Hornsäule. Kleine Hornsäulen ohne Lahmheit können mit einer gezielten Hufbearbeitung sowie einem Spezialbeschlag in der Regel unkompliziert versorgt werden. Umfangreiche Hornsäulen, die mit einer Lahmheit einhergehen, bedürfen einer chirurgischen Intervention durch den Tierarzt. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit muss die Entfernung der Hornsäule durch die Abtragung des Wandhorns unter Vollnarkose erfolgen. Zur Unterstützung einer raschen Nachbildung stabilen Wandhorns haben sich Ergänzungsfuttermittel mit organisch gebundenen Spurenelementen als äußerst hilfreich erwiesen.

Dünnwandige Sohle/Fühligkeit

Dieses Phänomen tritt besonders gehäuft bei Pferden auf, die von einem Hufbeschlag auf barhuf umgestellt werden sollen. Da die Umstellung von einem Beschlag auf einen „nackten“ Huf für das Pferd mit einer entsprechenden Umstellung verbunden ist, ist besonders die Anfangszeit mit einer vermehrten Fühligkeit verbunden. Besonders Schotter, Baumwurzeln oder Kies können dem Pferd hier Probleme bereiten. Wenn das Pferd fühlig geht oder gar stolpert, sind dies Anzeichen einer mit Schmerz einhergehenden Fühligkeit. Das oberste Credo sollte daher bereits vor der geplanten Umstellung sein, das Pferd ausreichend mit für die Stabilität des Hufhorns fördernden Substanzen (Biotin, Zink, Methionin) zu versorgen, damit das Hufhorn besonders im Sohlenbereich nicht zu dünnwandig bleibt.