BCS (Body Condition Scale)

Es gibt verschiedene Regionen des Pferdekörpers an denen der BCS gemessen werden kann.

Der Rücken – die Brücke zwischen Vor- und Hinterhand

Der Rücken des Pferdes ist die biomechanische Achse der Kraftübertragung. Die uneingeschränkte Funktion des Zusammenspiels zwischen der Wirbelsäule, sowie den Muskeln, Sehnen und Bändern von Vorder- und Hintergliedmaße sowie des Rückens und des Bauches ist daher von entscheidender Bedeutung für die Fähigkeit des Pferdes sich losgelassen zu bewegen. Der knöcherne Teil des Rückens ist Teil des Skeletts und besteht aus Wirbeln, Gelenken (Wirbelgelenke und Facettengelenke) sowie den dazwischenliegenden Bandscheiben, die aus Knorpel bestehen. Umgeben wird

 

A: Halsform und Kammfett
(Das Kammfett wird bei gesenkter Kopfhaltung – zum Beispiel während der Nahrungsaufnahme – gemessen, dabei einfach die Höhe des Kammfetts oberhalb der Halsmuskulatur ausmessen.)
B: Schulter

C: Widerrist

D: Rippen an Gurtlage/Brustwand

E: entlang der Wirbelsäule inkl. Kruppe

F: Hüfthöcker

G: Schweifansatz
Der Bauchumfang ist in den meisten Fällen kein zuverlässiger Anhaltspunkt, da er aufgrund vom Füllungszustand, Krankheiten o.ä. verändert sein kann.
Wie stelle ich den BCS meines Pferdes fest?

Der BCS wird anhand der Beurteilung der Konturen, Knochenvorsprünge und Fetteinlagerungen an den Körperstellen A-G beurteilt. Anhand der Zuordnung zu den Nummern 1-9 kann der Ernährungszustand und somit in erster Linie die adäquate Versorgung des Pferdes mit ausreichend Energie und/oder Protein beurteilt werden.

1. Ausgehungert und Unterernährt

Das Pferd ist extrem abgemagert; die Seitenfläche des Halses ist nach innen gewölbt, es gibt kein Kammfett, einen ausgeprägten Axthieb. Eine Faltenbildung an der Schulter ist nicht möglich und die Knochenstrukturen von Hals und Schultern sind deutlich sichtbar. Die Wirbelsäule, die Rippen, die Hüfthöcker und der Schweifansatz treten stark hervor und auch die Hungergrube ist eingefallen. Kein Fettgewebe.

2. Sehr dünn

Das Pferd ist abgemagert; die Seitenfläche des Halses ist nach wie vor nach innen gewölbt und es gibt kein Kammfett. Der Axthieb ist ausgeprägt. Eine Faltenbildung an der Schulter ist schwierig.  Die Wirbelsäule, die Rippen, die Hüfthöcker und der Schweifansatz sind sichtbar und vorstehend. Die Hungergrube ist eingefallen.

3. Dünn

Das Pferd ist mager; die Seitenfläche des Halses ist leicht nach innen gewölbt, es gibt kein Kammfett und der Axthieb ist nach wie vor sichtbar. Hals, Schultern und Widerrist sind akzentuiert. Eine Faltenbildung an der Schulter ist schwierig. Rippen und Dornfortsätze sind erkennbar, jedoch mit etwas Fettgewebe überzogen. Hungergrube ist leicht eingefallen. Die Hüfthöcker vorstehend und die vordere Kante ist scharf. Der Schweifansatz ist hervorstehend, die einzelnen Wirbelkörper jedoch nicht sichtbar.

4. Mäßig dünn

Das Pferd ist schlank; die Seitenfläche des Halses ist gerade und das Kammfett bis 4 cm hoch. Der Axthieb ist undeutlich. Hals, Schultern und Widerrist sind dünn und eine Faltenbildung an der Schulter ist möglich – jedoch unter Spannung. Eine leichte Kontur der Rippen ist erkennbar und die Dornfortsätze sind nur am Widerrist sichtbar. Kontur der Schwanzwirbel ist zu erahnen, die Hüfthocker sind sichtbar.

5. Optimal

Die Statur des Pferdes ist normal. Der Hals, die Schultern und der Widerrist laufen fließend in den Körper über und erscheinen leicht abgerundet. Das Kammfett am Hals ist 4- 5,5 cm hoch und eine Faltenbildung ist möglich. An den Rippen sind die Knochen zu erahnen, aber nicht sichtbar. Die Kruppe ist rund und die Hüfthöcker leicht sichtbar und die vordere Kante rundlich. Der Schweifansatz ist bedeckt.

6. Mäßig dick

Das Pferd ist beleibt. Der Hals ist leicht nach außen gewölbt und das Kammfett ist 5,5-7 cm hoch. Eine Faltenbildung ist möglich. Entlang des Halses, hinter den Schultern und seitlich am Widerrist bilden sich kleine Fettdepots. Die Dornfortsätze sind bedeckt und die Kruppe rund. Die Rippen sind nicht sichtbar, jedoch noch fühlbar. Die Hüfthöcker sind zu erahnen und um den Schweifansatz bildet sich weiches Fett.

7. Dick

Der Pferdehals ist leicht nach außen gewölbt und das Kammfett 7-8,5cm hoch. Am Hals, hinter den Schultern und am Widerrist sind sichtbare Fettdepots. Eine Faltenbildung ist spannungsfrei möglich. Einzelne Rippen sind fühlbar, die Zwischenräume sind bereits mit Fett gefüllt. An der Wirbelsäule ist eine beginnende Rinnenbildung und die Kruppe ist rund oder herzförmig. Die Hüfthöcker sind abgerundet, aber noch fühlbar. Am Schweifansatz ist ein weiches Fettpolster.

8. Fett

Das Pferd ist adipös. Der Hals ist verfettet und das Kammfett 8,5-10 cm hoch. An der Innenseite der Hinterbacken bildet sich ein Fettansatz. Hinter den Schultern und am Widerrist ist weiches Fettgewebe. Die Rippen sind kaum fühlbar und eine Rinne hat sich am Rücken gebildet. Hüfthöcker sind bei leichtem Druck fühlbar und die Rinne vom Rücken zum Schweif mündet in dem weichen Fettpolster um den Schweifansatz.

9. Extrem Fett

Das Pferd ist extrem übergewichtig. Das Kammfett ist 10cm oder höher. Hinter den Schultern und am Widerrist ist ein Fettdepot und eine hohe Faltenbildung ist spannungsfrei möglich. Aufgrund des durchgehenden Fettpolsters sind die Rippen nicht fühlbar. Entlang des Rückens ist eine offensichtliche Rille und die Hüfthöcker sind nicht mehr als Verwölbung erkennbar. Es ist ein durchgehendes Fettpolster und stellenweise kommt es zu ungleichmäßig verteilten Fettdepots.

Wie aussagekräftig ist der BCS?

Generell wurde das hier beschriebene System für Warmblüter entwickelt und hier gilt:

Stufe 1-3: zu dünn

Stufe 4-6: normal

Stufe 7-9: zu dick

Es kann also nicht zwingend auf alle Rassen angewendet werden, da einige rassetypische Merkmale bestimmte Körperausformungen mit sich bringen. Zum Beispiel ist die sogenannte gespaltene Kruppe bei einigen Rassen nicht automatisch gleichzusetzen mit Fettdepots an der Kruppe sondern kann auch bei entsprechender Arbeitsleistung ein Anzeichen für eine gut entwickelte Muskulatur sein. Ebenso sind bei barocken Pferderassen oder Kalblütern gewisse Rundungen an Hüfte oder Schulter rassebedingt gewünscht.

Wenn Unsicherheit dahingehend besteht, ob das Pferd zu dünn oder zu dick ist, kann hierzu auch ein auf die Ernährung von Pferden spezialisierter Tierarzt (z.B. Fachtierarzt für Tierernährung) hinzugezogen werden, um Futterration, tägliches Arbeitspensum und den BCS in Relation zu setzen.die Wirbelsäule von vielen teilweise sehr filigranen und auch sehr großen und kräftigen Muskeln und Bändern. Dadurch ist der Rücken als Ganzes sehr flexibel nach oben, unten sowie zu den Seiten hin dehnbar.

Da der Rücken des Pferdes ursprünglich lediglich darauf ausgelegt ist, den Körper des Bewegungstieres Pferd zu tragen und als Brückenkonstrukt die Kraftübertragung der Hinter- auf die Vordergliedmaßen zu übertragen, stellt das Reiten mit Sattel eine zusätzliche Belastung für den Pferderücken dar, auf die er eigentlich nicht ausgelegt ist. Durch die korrekte Bewegung des Pferdes unter dem Sattel, die als Basis einen passenden Sattel voraussetzt, können dennoch durch Gymnastizierung, Biegung und Dehnung die anatomischen Strukturen des Rückens gezielt trainiert und somit gestärkt werden.

Ursachen für Rückenprobleme

Neben äußeren Faktoren wie Bewegungsmangel, nicht passendem Equipment, einseitiger Überbelastungen, Übergewicht des Reiters oder falscher Reitweise können auch Fehlstellungen, Verletzungen oder angeborene Missbildungen Ursachen für Rückenprobleme darstellen. Häufig machen sich frühzeitige Läsionen der Muskeln oder Bänder sowie Versteifungen der Wirbelgelenke als erste hinweisende Symptome bemerkbar. Seltener kommen auch Wirbelfrakturen vor. Als Antwort auf diese Läsionen passen sich benachbarte Strukturen wie Muskeln, Wirbel, Bänder oder Faszien an den krankhaften Zustand an und der Bewegungsumfang an dieser Stelle des Rückens verringert sich. In der Folge blockiert der Rücken.

Ursachenforschen – eine knifflige Spurensuche

Oft können die Hinweise für Rückenschmerzen bei Pferden aufgrund der unspezifischen Ausprägung nur schwer zu deuten sein. Daher ist die grundlegende Voraussetzung einer zielgerichteten Diagnose ein fundiertes Verständnis anatomischer und biomechanischer Zusammenhänge sowie eine exakte Kenntnis über die neurologische Innervation der einzelnen Abschnitte des Pferderückens. Der Tierarzt muss, um die Ursache der Verhaltens- und Bewegungsveränderung bei einem Pferd mit Rückenschmerzen finden zu können, besonders auf die Beschreibung des Besitzers achten. Es muss eine orthopädische Untersuchung am stehenden Pferd zur Beurteilung des Rückenbaus (gerade, gebogen, gewölbt) und möglicher Defekte vorgenommen werden. Zudem können auch Verhärtungen der Muskulatur, vermehrt warme Stellen am Rücken, berührungsempfindliche Bereiche sowie augenscheinliche Asymmetrien der Muskulatur durch Adspektion und Palpation entscheidende Hinweise liefern. Weiterhin ist die Überprüfung der Beweglichkeit der einzelnen Segmente der Wirbelgelenke und deren angrenzenden Strukturen erforderlich, um den Bewegungsspielraum einschätzen zu können. Dies sollte am stehenden Pferd auch in verschiedenen Bewegungsrichtungen (Rückwärtsrichten, Schritt/Trab auf gerader sowie gebogener Linie) auf hartem und weichem Untergrund erfolgen. Wenn ein klinischer Verdacht besteht, können bildgebende Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen durchgeführt werden, um eine präzisere Diagnose (wie beispielsweise Osteoarthrose, Wirbelspondylosen, osteolytische Veränderungen, Frakturen) zu stellen. Ultraschalluntersuchungen des Rückens ermöglichen die Visualisierung von Muskel- und Bänderläsionen sowie präzisere Informationen bzgl. Arthrose der Wirbel, insbesondere im Lumbalbereich.

Rehabilitation und Heilung Hand in Hand

Mit Ausnahme von unfallbedingten Rückenproblemen (Bänderriss, Frakturen, Fissuren oder Muskelfaserriss) liegt der Schlüssel zum Heilungserfolg in der Planung eines individuell auf die ursächliche Problematik des Pferdes zugeschneiderten Trainings- bzw. Bewegungsmanagements sowie einer Optimierung der Haltungs- und Fütterungsgewohnheiten. Boxenruhe sollte soweit als möglich vermieden werden – das Pferd ist ein Lauftier und braucht Bewegung! Zudem beugt Bewegung dem intensiven Abbau von Muskulatur vor. Tierarzt, Physiotherapeut und ggf. Chiropraktiker und/oder Osteopath sollten sich zur Erstellung eines rehabilitativen Bewegungsplanes genau abstimmen, um durch gezieltes Training die vorhandene Problematik zu beheben. Dies kann in Abhängigkeit des bestehenden Problems gefördert werden durch ausgiebiges Schrittgehen, bestimmte Lockerungsübungen (z.B. Cavaletti-Arbeit), spezielle Dehnübungen, bestimmte Bewegungsabläufe mit therapeutischem Nutzen oder gar Aquatraining, um die Flexibilität des Rückens wieder herzustellen. Zudem sollte auch unbedingt überprüft werden, ob das Pferd ausreichend mit für den Muskelstoffwechsel essentiellen Spuren- und Mengenelementen versorgt ist und der Bedarf an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden (dies kann insbesondere nach einem Kreuzverschlag unabdingbar sein). In vielen Fällen kann eine entsprechend ausbalancierte Rationsgestaltung bereits relativ zeitnah einen großen Beitrag für einen gelockerten und durchlässigeren Rücken leisten.

Im Falle eines akuten entzündlichen Geschehens kann es notwendig sein, entzündungshemmende Arzneimittel (oral oder intravenös appliziert) einzusetzen, um dem Pferd die Schmerzen zu nehmen sowie den Teufelskreis des Entzündungsprozesses nicht weiter voranschreiten zu lassen. Unter Umständen kann in schweren Härtefällen ggf. auch ein chirurgischer Eingriff (z. B. bei Erkrankung der Dornfortsätze wie „Kissing spines“) zur Linderung der Schmerzen notwendig werden. Weiterhin haben sich besonders bei verspannungsbedingten Rückenproblematiken die Akupunktur sowie die manuelle Massage oder Stoßwellentherapie und Elektrostimulation als sinnvoll erwiesen.